ZEIT: Wie sollten die etablierten Parteien in Europa mit dieser Entwicklung umgehen?
Piketty: Es hängt vieles davon ab, ob sie es schaffen, diese Menschen wieder zu erreichen. Ich sage nicht, dass das einfach sein wird, im Gegenteil. Wir haben es mit einer echten Krise der Demokratie zu tun. Es wäre wichtig, die öffentliche Infrastruktur gerade in den ländlichen Regionen auszubauen. Dafür braucht es ausreichend finanzielle Ressourcen. Wir leben aber in einer Zeit, in der Staatsschulden reduziert werden sollen. Das bedeutet: Wenn Sie an einer Stelle mehr ausgeben, müssen Sie an einer anderen Stelle Gelder streichen. So läuft die Debatte. Dabei bräuchten wir zuallererst ein gerechteres und faireres Steuersystem.
ZEIT: Gerechter heißt für Sie: mehr Umverteilung von den Reichen zu den Armen?
Piketty: Historisch betrachtet ist genau das in einer Situation mit ausufernden öffentlichen Schulden und großen neuen Herausforderungen passiert. Es wurde mehr umverteilt. So war das während der Französischen Revolution, und so war es in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Und ich als Wirtschaftshistoriker würde sagen: Es wird auch in der Zukunft so sein. Aber dafür bedarf es wahrscheinlich einer großen politischen Krise. Und da sind wir noch nicht.
Die Neoliberalen steuern uns mit Ihrem Irrsinn sehenden Auges in die Katastrophe.