this post was submitted on 12 Jul 2023
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War der Fahrer in unmittelbarer Gefahr?
Notwehr in Deutschland erfordert einen gegenwärtigen, rechtswidrigen Angriff gegen ein Rechtsgut. Das kann zum Beispiel das Leben oder die körperliche Unversehrtheit sein, aber auch Angriffe gegen die Freiheit, das Eigentum oder sogar die Ehre sind im deutschen Recht notwehrfähig. Nötigung ist ein Eingriff in die Freiheit des Genötigten. Es ist juristisch umstritten ob und wann Straßenblockaden aus Protest eine Nötigung darstellen.
Das ist aber für meine Frage nicht relevant. Da eben umstritten ist ob Straßenblockaden aus Protesteine Nötigung darstellen, kann in meinen Augen vom Laien nicht erwartet werden diese juristisch feine Unterscheidung vorzunehmen. Es könnte also sein, dass der Fahrer glaubt aus Notwehr zu handeln, obwohl juristisch keine Notwehrlage vorlag. Dann handelt es sich um einen Erlaubnistatbestandsirrtum. Dann hätte er zwar nicht in Notwehr gehandelt, aber dennoch nach §16 StGB nicht strafbar.
Und, wie gesagt, ich bin kein Jurist, finde die Frage aber interessant.
Muss Notwehr aber nicht auch in einer Verhältnismäßigkeit stehen?
Grundsätzlich muss lediglich das Mildeste aller möglichen und gleichwertig effektiven Mittel gewählt werden, welches geeignet ist den Angriff sicher und endgültig zu beenden.
Eine Prüfung auf Verhältnismäßigkeit findet nur statt, wenn ein "extremes Missverhältnis" besteht. So darf zum Beispiel der Diebstahl einer geringwertigen Sache nicht mit tödlicher Gewalt vereitelt werden. Die Grenze zur Geringwertigkeit wird dabei aber als deutlich niedriger verstanden, als man als Laie vielleicht denken mag.
das mildeste Mittel für seine Freiheit wäre gewesen auszusteigen und wegzugehen. Es gibt auch keine geschützte Freiheit, seine Sachen bewegen zu dürfen, wenn dadurch Menschen gefährdet oder gar getötet würden.
“Das Recht braucht dem Unrecht nicht zu weichen” ist zentrales Prinzip des deutschen Notwehrrechts. Flucht oder Ausweichen sind nie das mildeste Mittel der Notwehr.
Es gibt ein Recht sich frei zu bewegen. Es gibt kein Recht ein KFZ frei zu bewegen. Hier die Bewegungsfreiheit am KFZ festzumachen finde ich sehr dünn. Man muss auch nicht fliehen, weil man ja aussteigen und einfach durchlaufen könnte. Und selbstverständlich ist Ausweichen ein mildes und richtiges Mittel. Sonst wäre "sie haben mich ins Gesicht gefilmt" tatsächlich illegal gewesen und man dürfte im Zug jeden umschubsen, der nicht schnell genug zur Seite geht. Und natürlich wäre es nach der Logik auch zulässig jemanden umzufahren, der bei Rot über die Ampel geht, weil der da ja nicht hätte sein dürfen.
Den Satz kann man nicht fundamentalistisch auslegen. Schon garnicht um damit schwere Gewalt und Tötung zu rechtfertigen.
Nötigung bedeutet, dass mit einem emfpindlichen Übel gedroht wird, wenn der Angegriffene nicht im Sinne des Nötigenden handelt.
Wer sein Auto einfach stehen lässt und zu Fuß zu einem möglichen Termin oder zur Arbeit etc. geht, der wird nicht nur wahrscheinlich zu spät kommen, sondern der wird mit ziemlicher Sicherheit auch ein Bußgeld und Abschleppgebühren zahlen müssen (wenn nicht noch schärfere rechtliche Konsequenzen drohen). Das ist auch ein empfindliches Übel.
In keinem der Fälle findet ein rechtswidriger Angriff auf durch Notwehr geschützte Rechtsgüter der vermeintlich Angegriffenen statt.
a) Das Recht am eigenen Bild kann theoretisch durch Notwehr geschützt werden. Das Recht gilt allerdings nicht uneingeschränkt und im genannten Fall war das Recht am eigenen Bild des Demonstranten eben eingeschränkt: Es fand kein unrechtmäßiger Angriff auf seine Individualrechtsgüter statt. In anderen Situationen kann eine Notwehr gegen unrechtmäßiges Filmen/Fotografieren rechtmäßig sein.
b) Wenn jemand im Zug einfach ein bisschen langsam ist und dir nicht rechtzeitig Platz macht, dann ist das keine Nötigung - es liegt ja kein Vorsatz vor. Wenn jemand im Zug absichtlich deinen Weg versperrt (z.B. indem er sich absichtlich besonders langsam bewegt), dann könnte das eine Nötigung darstellen und damit Notwehr rechtfertigen.
c) Ähnlicher Fall wie b. Es fehlt hier der Vorsatz für einen Angriff auf Individualrechtsgüter des Autofahrers. Überquert jemand absichtlich bei Rot die Straße mit dem Zwecke Autofahrer zu blockieren sähe das meiner Auffassung nach anders aus.
Schade dass du so viele down votes bekommst obwohl du sachlich schreibst.
Ich glaube viele wollen schlicht lieber auf Basis von Gefühlen statt Gesetzestexten und gängiger Rechtsprechung argumentieren. Es fühlt sich falsch an, dass die Situation vom Notwehrrecht gedeckt sein könnte. Ich finde aber, dass es als mündiger Bürger wichtig ist, seine Rechte zu kennen und zu verstehen. Gerade beim deutschen Notwehrrecht scheint vielen nicht klar zu sein, wie viele Freiheiten es dem Angegriffenen einräumt.
Das ist sicher keine Befürwortung dieses Verhaltens - auch wenn ich glaube, dass die Verteufelung der Autofahrer in diesen Fällen teils zu weit geht.