this post was submitted on 12 Jan 2024
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Rechtsextreme haben einen „Masterplan“ ersonnen, um Menschen aus Deutschland zu vertreiben. Hier kommen die zu Wort, die davon bedroht würden: Studenten, Anwälte, Ärzte – Deutsche.

[...]

Dieses Unsicherheitsgefühl ging eigentlich nie weg, und ist gerade jetzt wieder verstärkt da. Das werden ganz viele Menschen mit Einwanderungsgeschichte bestätigen. Keiner ist überrascht. Hinzu kommt ein Gefühl, das ein kleines bisschen Hoffnung macht: Endlich wissen es jetzt alle, endlich ist es raus.

Bedrohung für mich als Jesidin kam immer von rechtsextremer Seite in Deutschland, aber auch von islamistischer Seite. Heute veröffentliche ich auch Morddrohungen von den „Grauen Wölfen“, die ich bekomme. Meine heile Welt wurde von allen Seiten bedroht. Ich habe das Gefühl, dass wir uns in Nebenschauplatz-Debatten verloren und vergessen haben, dass Demokratiezersetzer direkt unter uns sind. Daran, dass die AfD im Bundestag sitzt, werde ich mich nicht gewöhnen – und nie gewöhnen wollen.

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Ich habe nie mit Gedanken gespielt, Deutschland zu verlassen. Das mag jetzt patriotisch klingen, aber lieber will ich hier sterben. Das ist meine Heimat, meine Erde, die gehört allen. Ich würde nie freiwillig gehen, was auch immer das kostet. Ich kenne welche, die auf gepackten Koffern sitzen. Nein, ich sitze nicht auf gepackten Koffern. Wo soll der Koffer auch hin, außer nach Deutschland?

[...]

Die Pläne der AfD sind für mich nicht überraschend, diese Tendenzen sind nicht neu. Aber die Deutlichkeit hat mich schockiert. Da wird in einem offiziellen Rahmen ganz offen darüber gesprochen, Menschen in irgendein Gebiet in Afrika zu deportieren. Jetzt ist der Aufschrei in Medien und Politik groß, aber was passiert danach? Mir fehlt die laute Stimme aus der Politik, mir fehlen Taten. Bundeskanzler Olaf Scholz sagt jetzt zwar: „Wir schützen alle“. Vor wenigen Wochen sagte er in einer großen Schlagzeile aber auch: „Wir müssen endlich im großen Stil abschieben“.

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Viele Betroffene bemühen sich zwar, dass die Mehrheitsgesellschaft ihr Schweigen bricht und sich an die Seite derjenigen Menschen stellt, die vertrieben werden sollen. Aber sie machen sich auch immer stärker Gedanken darüber, wohin sie auswandern sollen, falls sich die Entwicklungen fortsetzen. Was gerade geschieht, macht Angst um das schiere Leben und Überleben in diesem Land und ist auch für mich neu und beunruhigend.

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Ich bin Radiologieassistent (MTRA), Altenpfleger, Arzt. Wirtschaftlich habe ich meine angebliche „Bringschuld“ erfüllt. Aber schnell kam die Ernüchterung: Das reicht nicht. Ich habe es satt, Sprüche zu hören wie: „Du musst dich noch mehr integrieren.“ „Du musst dich noch mehr von deiner Herkunft distanzieren“. Ich habe es satt zu zeigen, dass ich kein Terrorist bin, kein Islamist, kein „Sozialschmarotzer“. Zu beweisen, dass ich dazugehöre. Jetzt hat das für mich einen Punkt erreicht, wo ich sage: Deutschland fühlt sich nicht mehr an wie mein Zuhause.

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Die letzten sechs Monate hat sich mein Sicherheitsgefühl krass verschlechtert. Ich werde angepöbelt. Diese Dinge passieren in aller Öffentlichkeit und: Niemand. Sagt. Etwas. Niemand. Tut. Etwas. Das ist wirklich eine Mentalität, die ich den Deutschen zuschreibe. Dieses „Ich halte mich raus, weil es mich nicht explizit betrifft“. Danach kommen Leute und sagen, dass es ihnen leidtut. Das hilft mir nicht. Das macht mir Angst, dass Leute zuschauen. Nichts sagen ist Duldung.

Ich vermeide es als Frau sowieso schon, abends alleine hinauszugehen. Als Schwarze Frau erst recht, ich kann Leuten nicht an der Nasenspitze ansehen, ob sie rechtsextrem sind. Meine Lebensqualität ist dadurch gestört, dass ich die ganze Zeit darüber nachdenke. In gefährlichen Situationen filme ich mittlerweile, um mich zu schützen. Damit mir jemand glaubt, falls es nötig ist.

Ich möchte nicht weg aus Deutschland. Ich bin Deutsche. Wenn ich Deutschland verlasse, verlasse ich mein Heimatland.

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Meine Eltern flüchteten 1997 aus dem Iran nach Deutschland, weil mein Vater zum Christentum konvertiert war. Er schmuggelte Bibeln ins Land und wurde dafür vom iranischen Regime verfolgt. Meine Mutter und mein Vater wollten ihren Kindern ein Leben in Freiheit und Demokratie ermöglichen. Und jetzt stehe ich vor derselben Entscheidung, weil unsere Freiheit in diesem Land bedroht ist.

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Ich kenne ja die Forderungen, dass man ausgewiesen werden soll, wenn man straffällig geworden ist, aber dass solche Leute so weit gehen würden, damit habe ich nicht gerechnet. Das Ganze ist eine Unverschämtheit, für solche Forderungen und Gedanken gibt es eigentlich keine Worte. Solche Forderungen werden ja von rechtsextremen Parteien von A bis Z übernommen.

[...]

Aufgewachsen bin ich im Düsseldorfer Stadtrand. Mit Rassismus war ich zum ersten Mal konfrontiert, als wir nach Schleswig-Holstein zogen. Dort war ich plötzlich die Ausländerin. Das erste Mal Angst hatte ich nach den Anschlägen in Solingen und Mölln Anfang der 90er Jahre. Ich war damals noch eine Teenagerin. Neonazis waren zwar bereits ein bekanntes Problem, aber die Anschläge zeigten ein neues Eskalationslevel.

Aber: Die Gesellschaft reagierte damals. Es gab Lichterketten und große Soli-Konzerte. Im Radio liefen Songs, die sich gegen Faschismus aussprachen. Ich habe den Eindruck, dass sich das heute geändert hat.

[...]

Wir müssten jetzt als deutsche Gesellschaft nur ein einziges politisches Ziel kennen: Die Demokratie vor ihrer Abschaffung durch die Befürworter einer völkischen Reinheit zu schützen. Aber ich lerne nun, dass ich das so nicht mehr formulieren darf. Kein „Wir“ mehr. Denn ich bin ja kein richtiger Deutscher.

Auswandern will ich nicht. Ich habe meine verstorbenen Eltern in deutscher Erde begraben. Weil ich dieses Land für meine Heimat gehalten habe. Sie sind zu einem Teil Deutschlands geworden. Ich brauche Verbündete. Für das Recht, die Freiheit und die Demokratie in diesem Land.

Ich habe allerdings zunehmend das Gefühl, dass man sich auf jene, die berufen sind, sich in ihren Ämtern und Funktionen um diese Demokratie zu kümmern, immer weniger verlassen kann – wenn man nicht deutsch genug ist.

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[–] Random_German_Name@feddit.de 22 points 10 months ago* (last edited 10 months ago) (2 children)

Ich bin eigentlich in einer super Position. Ich bin ein weißer cis Mann, besitze ein Haus auf dem Land, bin jung und gesund, habe zumindest ein wenig Erspartes und kann mir sicher sein, dass es Proteste gäbe, wenn man mich deportieren würde. Bei politischem war ich immer eher im Hintergrund. Bin bi und habe aktuell keinen gleichgeschlechtlichen Partner und bin außerhalb meines Freundeskreises nicht geoutet. Eigentlich sollte ich in der Lage sein mich wegzuducken, wenns ernst wird.

Trotzdem habe ich Angst. Nicht vor den AfDlern oder den Neonazis, sondern vor der schweigenden Mehrheit, die wie eine Fahne im Wind immer auf das aufspringt, was gerade in Massenmedien propagandiert wird. Vor nichtmal 10 Jahren wurden Seenotretter als Helden angesehen, jetzt sind sie Kriminelle Schleuser.

Ich habe keine Ahnung mehr, was ich machen soll. Mein Dorf war eigentlich fast immer bürgerlich-liberal geprägt, aber auch hier argumentieren immer mehr Leute für Massendeportationen oder gegen die „LGBT Aganda“.

Bei Neonazis weiß ich, wie ich reagieren muss und was mich erwartet. Beim Bauern von nebenan weiß ich nicht, ob der am Montag mit NS-Landvolk Fahne irgendwo stand. Beim CDU-Lokalpolitiker weiß ich nicht, ob der mir als Linken den Dolch in den Rücken stößt, wenn es ihm nutzt.

Es gibt nur wenig Leute, denen ich wirklich vertraue. Aber ich weiß, dass die hinter mir stehen und die wissen, dass ich hinter ihnen stehe. Das wissen die Dorfnazis auch. So haben wir als Zecken hier durchgehalten.

Die letzten Jahre haben wir die Faschos zurückgedrängt. Einige konnten wir sogar aus dem Dorf mobben. Wir haben durchgesetzt, dass die sich in keiner Bar mehr treffen dürfen, das ihr Spendenkonto geschlossen wird, das die HDJ Nachfolger hier aufgeflogen sind, das sie aus Vereinen geworfen wurden. Und jetzt? Jetzt bricht das alles langsam wieder zusammen. Diese Mauer, die wir Stück für Stück, tonnenschweren Stein für Tonnenschweren Stein aufgebaut haben, bröckelt jetzt. Weil irgendwelche machtgierigen möchtegern Hindenburgs in Berlin ihren eigenen Profit nicht eine mal zur Rettung von Menschenleben zurückstellen können.

Ich gehe hier nicht weg. Wohin auch? Mein Englisch ist beschissen, hier lebt meine Familie seit Generationen. Meine Freunde und werten Mitzecken sind hier. Ich kann die nicht einfach im Stich lassen. Wir haben es durch den Rechtsruck 2015 geschafft, wir haben es durch die lokale Welle an Nazi-Terror 2018 bei uns geschafft. Wir schaffen das. Irgendwie haben wir es immer geschafft.

Zumindest rede ich mir das ein.

[–] zaphod@feddit.de 6 points 10 months ago (2 children)

kann mir sicher sein, dass es Proteste gäbe, wenn man mich deportieren würde.

Sei dir da mal nicht so sicher. Jeder der Protestieren würde riskiert wahrscheinlich ebenfalls deportiert zu werden.

[–] sirjash@feddit.de 1 points 10 months ago

Warum deportieren sagen, wenn man das Kind auch beim Namen nennen kann? Die Nazis wollten die Juden auch deportieren.

[–] laughingsquirrel@discuss.tchncs.de 3 points 10 months ago (1 children)

Ich feiere das, was ihr geschafft habt, und es gibt mir ein Gefühl von Verbundenheit. Wir bekommen Positives vermutlich zu wenig mit, dabei gibt es so viele, die sich stark machen! Ich sende dir eine Umarmung!

Ich werde auch im Ernstfall in Deutschland bleiben, ich möchte dieses schöne Land nicht aufgeben, nur weil ein paar laute Menschen es in den Abgrund ziehen.

[–] Random_German_Name@feddit.de 2 points 10 months ago* (last edited 10 months ago)

Komm her und fühl dich gedrückt Brudi/Schwesti. Zusammen sind wir stark.

Und selbst, wenn wir scheitern, gehen wir mit reinem Gewissen und der Gewissheit auf der richtigen Seite der Geschichte zu stehen. Das ist mehr, als irgendein AfDler jemals von sich behaupten können wird.