Hydroponik wirkt für Viele, insbesondere Anfängern, immer noch sehr abschreckend, während normale Erde oder Kokosfasern als "einfach" gelten.
Heute aber will ich eure Meinung zu dem Thema grundlegend ändern.
Denn ich stelle euch ein viel zu unbekanntes hydroponisches System vor, das nicht nur für quasi ALLE Pflanzen, egal ob Hanf, Orchideen, Kakteen, Tomaten, Ingwer, oder allem dazwischen, geeignet, sondern zudem total simpel und passiv ist.
Es ist quasi ein Hybrid aus Erde und Hydro. Von der Funktionsweise und Vorteilen ist es exakt wie Hydroponik, aber vom Handling her kommt es nah an Erde oder Coco ran.
Dabei ist es eigentlich total idiotensicher und wartungsarm, da es weder fehleranfällige Pumpen, noch regelmäßiges Gießen erfordert.
Ich muss zugeben, dass LECA (Lightweight Extended Clay Aggregates, aka. Hydroton, aka. Blähton, aka. Was-Auch-Immer) in den letzten Monaten mein weirdes seltsames Steckenpferd war, und ich in dieser Zeit, nun..., ein "bisschen" Wissen angehäuft habe. Nur ein bisschen, ich schwörs...
Dieses Wissen und Begeisterung will ich mit euch teilen.
Deshalb könnte ich den Post hier locker 10x länger machen als er jetzt ist, und ich habe immer noch nicht alles gesagt. Genau das spare ich mir hier.
Wenn ihr also irgendwelche Fragen habt, egal was, schießt los. Egal, ob es um die Schüttdichte, Anzucht, Maintenance, Hersteller, oder was auch immer geht.
Falls ihr die Hydrokultur dann wirklich probieren wollt, seid ihr mit meinem Guide für's erste halbwegs ok aufgehoben, aber ein wenig mehr einlesen schadet bestimmt nicht ;) Besonders, wenn ihr zuvor nie mit Hydro Kontakt hattet.
Was ist Blähton?
Viele kennen diese kleinen Tonkügelchen bestimmt nur als Drainagematerial, aber tatsächlich ist es auch ein absolut krasses Medium für Hydroponik.
Warum also eignet er sich so gut für den Anbau von Pflanzen?
Schauen wir ihn uns doch mal kurz unter dem Mikroskop an.
Wie man sieht, besteht Blähton zum Großteil aus Hohlräumen. Diese können sowohl Feuchtigkeit, als auch Luft einschließen.
Viele Leute denken, Blähton sei ein Wasserspeicher. Ist er aber nicht. Bei einem kleinen Test konnte ich herausfinden, dass er maximal 1/3 Wasser aufnehmen kann, und selbst komplett eingeweicht noch recht leicht ist.
Erde, Kokosfasern, Steinwolle oder andere Substrate dagegen können ein Vielfaches ihres Eigengewichtes aufsaugen, und geben das Wasser dann auch nur sehr langsam wieder ab. Wieso das relevant ist, erkläre ich euch jetzt.
Was sind die Vorteile?
Pflanzen lieben es, alles andere nicht
Wie gerade schon gesagt nimmt Blähton tatsächlich nicht viel Wasser, beziehungsweise in unserem Fall später, Nährlösung, auf.
Durch die poröse Oberfläche kann diese jedoch, wie bei einem Docht, durch die Benetzung dank des Kapillareffekts passiv nach oben gesogen werden, wodurch das Medium konstant feucht, aber nicht nass gehalten wird.
Durch die vielen Hohlräume in und zwischen den Kügelchen sind die Wurzeln enorm viel Sauerstoff ausgesetzt. Die Wurzeln brauchen viel Sauerstoff, sonst ersticken sie. Je mehr, desto besser. Deshalb funktioniert Aeroponik auch so wahnsinnig gut.
Was im Volksmund als "Übergießen" bezeichnet wird, ist gar nicht der Zu-Viel-Sein von Wasser, sondern das Zu-Wenig-Sein von Luft, weil diese bei Erde und co. einfach vom Wasser verdrängt wird und es dann zu anaerobischen Bedingungen kommt.
Folge: die Wurzeln ersaufen, und böse Bakterien lassen alles verfaulen.
Gleichzeitig ist Blähton absolut unappetitlich für alles, was sonst Erde futtert oder darin lebt.
Erde ist für Mikroben und Schädlinge wie ein Lebkuchenhaus, in dem sie gleichzeitig wohnen und sich von diesem ernähren. So funktioniert sie. Sie wird zersetzt, um Nährstoffe freizusetzen.
Folge: nicht nur hat man das konstante Risiko auf Ungeziefer und Sporenbelastung, sondern die Erde selbst wird immer kompaktierter. Deswegen muss man auch immer wieder Umtopfen, damit die Pflanzen nicht in ihrem eigenen Dreck stehen und daran ersticken.
Blähton dagegen ist wie eine Wüste, in der es nichts gibt. Die genannten Nachteile von Erde hat man hier nicht.
Das einzige Ungeziefer, das man sich holen kann, ist das, welches die Pflanze selbst frisst, z.B. Blattläuse oder Schnecken.
Aber selbst diese wird man sehr einfach los. Man kann die gesamte Pflanze einfach abduschen oder mit Pestiziden einsprühen/ darin eintauchen, und zack, ist das alles weg.
Inert und nachhaltig
LECA ist stabil gegenüber Hitze, Kälte und Chemikalien. Zudem bietet es null Nährwert und wird nicht abgebaut.
Deswegen kann man es beliebig wiederverwenden und sogar im Backofen backen, um alle Überbleibsel (Wurzeln, etc.) zu verbrennen.
"Null Nährwert" klingt erstmal schlecht. Aber das ist genau das geile daran. Den Nährwert bestimmt ihr selbst!
Weil es ja perfekte Bedingungen für quasi jede Pflanze bietet, und ihr den Nährstoffbedarf dank flexibler Anpassung der Nährlösung der Pflanzen nicht mehr berücksichtigen müsst, braucht ihr keine Spezialerden mehr. Keine für Orchideen, keine für Sukkulenten, keine für Tomaten, keine für was-auch-immer. Nix da. Nur Blähton. Und Dünger. Immer der selbe. Für alles. In unterschiedlichen Verdünnungen. Sonst nix.
Weniger Pflegeaufwand und tschüss Ratespiele
Ihr müsst viel weniger Gießen und Umtopfen.
Dadurch, dass wir ein Nährlösungsreservoir haben, dazu komme ich gleich, reicht es oft, wenn wir nur alle paar Wochen mal gießen. Selbst im Hochsommer musste ich nur wöchentlich. Jetzt im Winter noch weniger.
Ich habe schon knapp 60-80 Zimmerpflanzen alleine, gar nicht zu schweigen von meinen Nutzpflanzen auf dem Balkon (Sommer) oder Growzelt (Winter). Insgesamt komme ich locker auf ein paar Hundert Pflänzchen geschätzt.
Wenn ich da jetzt in jede Pflanze, inklusive Blumenampeln, fast täglich meine Finger in die Erde stecken müsste, um zu kontrollieren, damit mir nichts vertrocknet oder ersäuft, würde ich nie und nimmer damit fertig werden.
Hier ist es nur ein kurzer Blick auf den Gießanzeiger und ich habe Gewissheit.
Da das Medium auch nicht kompaktiert oder irgendwann ausgelaugt ist, muss ich auch deutlich seltener umtopfen. Ich habe einige Pflanzen, die in Erde eigentlich schon längst einen Topf größer hätten gehen sollen, aber hier juckt es sie recht wenig, da die Nährstoffe frei transportiert werden können, weil sie ja nicht an die Erde gebunden sind, sondern flüssig herumschwimmen. Das spart nicht nur der Pflanze Stress ;)
Ich bin beispielsweise inzwischen voll der Calathea-Fan geworden. Die gelten ja überall als "Total die Divas" und sehen oft schon beim Kauf im Gartencenter traurig aus. Bei mir wachsen die aber wie Unkraut und sind total happy, obwohl ich nichts mache c:
Hanf fühlt sich damit auch total wohl. So kann ich, durch das krasse Wachstum, das mit Hydroponik einhergeht, es mir sogar erlauben, Autoflowering-Sorten zu toppen, was ja ansonsten eigentlich ein No-Go ist!
Zudem haben sämtliche Ratespiele ab jetzt ein Ende (oder sind zumindest vereinfacht).
Ihr könnt nicht zu viel Gießen, weil ihr euch an den Gießanzeiger haltet. Vertrocknen tut euch nichts, solange er oberhalb von "Minimum" ist.
Und dadurch, dass man im Optimalfall immer ein pH-Meter und Leitfähigkeitsmessgerät zur Hand hat, kann man jederzeit, wenn die Pflanze nicht so toll aussieht, oder routinemäßig, schnell messen und direkt erkennen, wann die Pflanze langsam überdüngt sein oder Mängel kriegen wird, oder auch mit etwas Erfahrung am pH, welche Nährstoffe bevorzugt aufgenommen werden.
Mein Setup
Für mein Setup benötigt man folgendes:
- Wasserstandszeiger (das, und die Töpfe, kriegt man z.B. bei Dehner oder von Leni)
- Hydrokultur-Innentopf (alternativ tut es ein Orchideentopf oder Netcup auch)
- Passender Außentopf
- Einen hochwertigen Volldünger. Ich benutze Masterblend, das ist ein 2-Part-Dünger, aber theoretisch geht alles, was nicht nur NPK, sondern auch Spurennährstoffe enthält.
Ein 1/4-1/2-dosierter Orchideendünger, wie man ihn überall findet, kann dann in Kombi mit Leitungswasser (Ca + Mg) ebenfalls sehr gut funktionieren! Meine Empfehlung ist aber immer noch ein gescheiter Multi-Part-Hydroponikdünger. Spart da bitte nicht am falschen Fleck. Der kann sehr günstig und trotzdem top sein.
- Natürlich den Blähton :)
- Und optional, aber sehr nützlich, ein Messgerät für pH und Leitwert.
Man braucht die nicht unbedingt, aber das coole an Hydro ist ja, dass man alles messen kann.
Die kosten zusammen teils weniger als ein großer Blumentopf oder manche Pflanzen. Tut euch den Gefallen und holt sowas.
Das sieht dann am Ende so aus:
(Die Grafik kommt nicht von mir, ich fand sie nur gut und hab sie zufällig auf meinem Handy wiedergefunden. Keine Ahnung woher die kam)
Pflegeroutine
Ich gieße immer mit Nährlösung. Dafür hab ich mir eine Vormischung mit einem Leitwert von 3 mS angesetzt, die ich, je nach Bedarf, auf 1/3 bis gar nicht verdünne. Normalerweise, für die meisten Pflanzen, reichen 1-1,5 mS. Benutzt als Wasser ausschließlich mineralstoffarmes Wasser wenn möglich, z.B. Regenwasser. Zu kalkreiches Wasser kann den pH mit der Zeit zu sehr erhöhen.
Gelegentlich spüle ich das Substrat durch, indem ich den Innentopf rausnehme und ihn unter lauwarmen fließendes Wasser halte. Danach fülle ich die Nährlösung wieder auf "Optimum" auf. Mehr als Optimum sollte man höchstens kurzfristig machen.
Hin und wieder kann man gerne mal die übrig gebliebene Nährlösung testen, um zu sehen, wie sie sich vom pH und EC verändert hat. Daran gemessen kann man gut die Düngermenge anpassen.
Das Flushing ist wichtig, um vorhandene verrottende Erdreste und Düngerrückstände im Topf auszuspülen. Damit hält man alles schön sauber und setzt es auf Stand Null zurück.
Insbesondere die Düngerrückstände können sich mit der Zeit zu einer weißen Kruste an der Oberfläche ansammeln, die irgendwann toxisch für die Pflanzen wird.
Ansonsten mach ich eigentlich gar nichts. Alle paar Wochen gießen (immer einfach nur draufballern), alle paar Male flushen, und dabei auf irgendwelche Auffälligkeiten achten.
Joa... ansonsten gibt's eigentlich nichts weiteres zu erzählen. Wenn ihr Fragen habt, schießt gerne los! :)
Ganz ehrlich, ich hab mir "für den Anfang" auch sehr günstige Messgeräte gekauft und bin damit sehr zufrieden.
Kauf einfach das, was auf Amazon so empfohlen wird, hab ich auch so gemacht.
Das einzige, was ich in meinem Fall anders machen würde ist mir einen Kombitester (pH + EC) statt die Dinger einzeln zu kaufen. Aktuell ist das meiner, zwei verschiedene vom gleichen Hersteller: https://amzn.eu/d/36W4XfM